„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage ...“ und fragen Sie ab jetzt „Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. Wenn dieser Satz Anfang 2024 für Sie noch ungewohnt klingt, sind Sie damit nicht alleine: Über 30 Jahre lang stand der Pflichttext nämlich im generischen Maskulinum („... und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“). Seit seiner Entwicklung im Jahr 1990 hat sich jedoch vieles verändert – und nicht nur in der TV-Werbung, sondern auch anderswo in der medizinischen Kommunikation wird inzwischen geschlechtersensibler formuliert. Konkrete Beispiele dazu gibt es in diesem Beitrag.
Gendern von „Arzt“
Das Wort „Arzt“ lässt sich aufgrund der Vokaländerung (Arzt > Ärztin) nicht so einfach in Kurzform, d. h. mit Schrägstrich (falsch: Ärzt/-in), Klammer (falsch: Ärzt(in)) oder Genderstern (falsch: Ärzt*in), gendern wie andere Personenbezeichnungen, bei denen die maskuline Form schlicht durch das gewünschte Zeichen und die Endung -in ergänzt wird (Beispiel: Lehrer/-in, Lehrer(in), Lehrer*in).
Um geschlechtergerecht von Ärzten und Ärztinnen zu sprechen, bleibt im Singular also nur die Beidnennung („Arzt oder Ärztin“), wenn die Person des Arztes bzw. der Ärztin ausdrücklich genannt werden soll. Aus diesem Grund gab es auch für den Hinweis „...und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in der Apotheke“ keine kürzere (geschlechtergerechte) Variante.
Das Gendern von „Arzt“ durch Beidnennung ist aufgrund der Vokaländerung bei Arzt/Ärztin alternativlos:
„Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in der Apotheke.“
In vielen Fällen geht es aber gar nicht um „den Arzt“ oder „die Ärzte“ als Person(en). Fachkreise und Redaktionen bedienen sich inzwischen eines breiten Repertoires an Wörtern, um geschlechtsneutraler zu kommunizieren.
Statt:
Versuchen Sie es einmal mit:
Gendern von „Patient“
Auch für das Wort „Patient“ bietet die deutsche Sprache zahlreiche Alternativen, die vor allem bei längeren Texten die Monotonie brechen. So können Sie geschlechtsneutral von „Erkrankten“, „Kranken“ oder „Betroffenen“ schreiben, von „Patientengruppen“ oder vielleicht von „allen, die (von uns/in unserem Haus/in unserer Praxis) medizinisch versorgt werden“.
Gendern in der Medizin: 3 Case Studies
Nachhaltiger Sprachwandel vollzieht sich leise und oft unbemerkt. Die drei folgenden Beispiele aus der medizinischen Fachpresse und Kammerkommunikation zeigen, wie sich der Sprachgebrauch in medizinischen Fachkreisen in den letzten Jahren verändert hat.
1. Beispiel: Fachzeitschrift Der Gynäkologe
Im Juni 2022 erschien die Fachzeitschrift Der Gynäkologe erstmals unter dem neuen Titel Die Gynökologie. Dazu erklärte der Verlag:
" [...] heutzutage besteht die Ärzteschaft aus etwa 50 % Fachärztinnen; knapp 2/3 der Medizinstudierenden sind weiblich. Diesem gesellschaftlichen Wandel wollen wir mit dieser Titeländerung Rechnung tragen. Die Zeitschriftenreihe von Springer Medizin mit dem Titelgebungsprinzip Der Facharzt wird zur Zeitschriftenreihe Die Fachdisziplin ."
Nach dem Schema Der Facharzt > Die Fachdisziplin wurden danach auch alle weiteren medizinischen Fachzeitschriften aus dem Springer Verlag umbenannt. Aus Der Deutsche Dermatologe wurde Deutsche Dermatologie, aus Der Internist wurde Die Innere Medizin.
2. Beispiel: Podcast Sprechende Medizin der Bundesärztekammer
Ein schönes Beispiel dafür, wie sich unser Sprachgebrauch in den letzten Jahren verändert hat, liefert der Podcast der Bundesärztekammer Sprechende Medizin. Interessant ist der sprachliche Vergleich der Podcast-Folgen insbesondere auch deshalb, weil die beiden Gesprächspartner (beide Männer) gleich geblieben sind. Sprachen 2020 beide noch fast ausschließlich von „Ärzten“ und „Patienten“ im Maskulinum, achten sie 2023 eindeutig auf eine geschlechtersensiblere Ausdrucksweise (und sprechen von „Ärztinnen und Ärzten“, „Chefinnen und Chefs“, „Pflegepersonal“, „Patientinnen und Patienten“, „Kolleginnen und Kollegen“).
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3. Beispiel: Website und Ärzteblatt der Hessischen Ärztekammer
Auf der Website und im Ärzteblatt der Hessischen Ärztekammer wird schon seit 2021 gegendert – und zwar ganz simpel und pragmatisch: Komposita wie „Ärzteblatt“ und „Ärztekammer“ bleiben natürlich stehen, wie sie sind, in der Menüleiste werden ausdrücklich beide Geschlechter angesprochen („Für Ärztinnen und Ärzte“) und im Fließtext werden verschiedene Strategien gemischt: Mal findet sich die Beidnennung („Ärztinnen und Ärzte“), mal wechseln sich Maskulinum und Femininum ab („...gegenüber meinen Patienten ... [...] wenn es sich um Patientinnen handelt ...“) und mal werden auch verschiedene Personenbezeichnungen geschlechtersymmetrisch miteinander kombiniert („Ärztinnen und Patienten“).
Durch den einfachen Strategie-Mix werden Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen und der Text bleibt dennoch gut lesbar.
Arbeiten Sie in der Kommunikationsabteilung einer Klinik, für einen Ärzteverband oder in einer Medizinredaktion? Dann würden mich Ihre Gedanken, Ideen und Lösungen besonders interessieren. Kommentieren Sie gerne unten!
Wenn Sie grundsätzlich an aktuellen Entwicklungen rund ums Gendern interessiert sind oder Hilfe beim geschlechtersensiblen Umschreiben Ihrer Texte benötigen, werfen Sie gerne einen Blick auf meine aktuellen Angebote.
Guten Tag,
Ich schreibe Anleitungen für eine Praxis-Applikation.
Abgesehen von Sonderzeichen, die die Lesbarkeit beeinträchtigen könnten, verwende ich eigentlich alle hier beschriebenen Strategien.
Die Begriffe Arzt und Patient bereiten mir oft Kopfzerbrechen.
Manchmal greife ich darum zu einem Trick: Ich mache zuerst ein Beispiel, dass ich an den Anfang meines Textes setze. Darin kommen nur weibliche Personen vor. Zum Beispiel Dr. Anna Muster und die Patientin Frau Exemple.
In der nachfolgenden Anleitung verwende ich dann durchgehend die weiblichen Formen Ärztin und Patientin und beziehe mich dabei einfach auf das gegebene Beispiel.
Hallo CLaudia,
danke für diesen Einblick!