Muss man „Sehr geehrte Damen und Herren“ gendern? Darf man „Meine sehr verehrten Damen und Herren“ heute noch verwenden – oder sind die Ansprachen inzwischen veraltet? Wenn Sie die Frage nach einer gendergerechten Anrede umtreibt, finden Sie hier mögliche Antworten und Alternativen.
Das Wichtigste zuerst: Selbstverständlich dürfen Sie Ihre E-Mails und Geschäftsbriefe noch mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ eröffnen. Das ist höflich und zumindest werden damit schon mal Männer und Frauen angesprochen. Aber: Es geht auch besser. Denn etwas veraltet klingt die Formel ja schon. Je nach Kontext können Sie sich also eine gendersensiblere Alternative, etwas Moderneres oder eine kleine Erweiterung überlegen, um Ihre Ansprache inklusiver zu gestalten.
Es gibt inzwischen etablierte Wege, einen Geschäftsbrief geschlechtergerecht zu gestalten oder bei Vorträgen eine inklusivere Ansprache zu wählen. In diesem Artikel stelle ich Ihnen fünf Alternativen zum klassischen „Sehr geehrte Damen und Herren“ vor, um Ihre Ansprache gendergerechter zu formulieren.
1. Tipp: Werden Sie konkreter
Die wichtigste Leitfrage bei der Suche nach einer Alternative zu „Sehr geehrte Damen und Herren“ ist: Wen genau sprechen Sie an?
Die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ ist extrem allgemein gehalten. Konkret richtet man sich aber nie an alle Damen und Herren der Welt, sondern immer nur an eine kleine Gruppe von Personen, zum Beispiel die Gäste im Saal, die Angestellten der Behörde X oder die Mitarbeitenden der Abteilung Y.
Versuchen Sie also, sich ganz konkret vor Augen zu führen, wen Sie bei einer Rede vor sich haben oder wer Ihr Schreiben lesen wird, und sprechen Sie diese Person(en) gezielt an:
Beispiel:
Oder – etwas unpersönlicher, aber in vielen Fällen sehr hilfreich: die sogenannte Sachbezeichnung. Dabei verwandeln Sie eine Personenbezeichnung einfach in eine Sachbezeichnung um. Aus Redakteurinnen und Redakteuren wird so zum Beispiel die Redaktion oder die „sehr geehrten Damen und Herren“ des Finanzamts werden einfach zum abstrakten „Finanzamt“.
Beispiel:
2. Tipp: Verwenden Sie eine neutrale Anrede
Eine weitere Möglichkeit, „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu gendern bzw. geschlechtsneutral zu formulieren, ist ein schlichtes „Guten Tag“ oder auch „Hallo“. Ein großer Vorteil dieser Alternative ist, dass die genderneutrale Anrede auch für Einzelpersonen geeignet ist, deren Geschlecht unbekannt ist, wie es zum Beispiel bei „Toni“, „Alex“ oder einem Vornamen der Fall ist, der Ihnen nicht geläufig ist.
Beispiel:
Die Techniker Krankenkasse, übrigens eine Vorreiterin gendersensibler Unternehmenskommunikation, hat das „Sehr geehrte...“ bzw. „Sehr geehrter...“ schon länger abgeschafft und verwendet stattdessen ganz einfach „Guten Tag“.
Wem ein einfaches „Hallo“ oder „Guten Tag“ zu unpersönlich ist, kann durch ein freundliches Rundherum dennoch für einen höflichen Gesamteindruck sorgen.
Bei Vodafone wird man als Neukundin zum Beispiel mit einem freundlichen, prominent hervorstechenden „Schön, dass Sie bei uns sind!“ in der Betreffzeile begrüßt. Wenn auf diese herzliche Begrüßung dann ein relativ kühles „Hallo [Vorname] [Nachname]“ folgt, fällt das nicht so stark ins Gewicht. Der freundliche Gesamteindruck stimmt.
3. Tipp: Verwenden Sie mehrere Ansprachevarianten gleichzeitig
Eine gute Möglichkeit, Ihre Ansprache insgesamt inklusiver zu gestalten, ist die gleichzeitige Verwendung mehrerer Ansprachevarianten. Ziel ist es, den Adressatenkreis möglichst breit zu öffnen und eine Formulierung zu finden, bei der sich möglichst alle angesprochen fühlen.
In einer Festschrift können Sie das „Sehr geehrte Damen und Herren“ zum Beispiel durch ein geschlechtsneutraleres „Gäste“ erweitern:
Oder:
Oder auch:
Ein Beispiel einer solchen erweiterten Anrede finden wir etwa im Grußwort der Broschüre zu den SWR Schwetzinger Festspielen ...
… sowie wenige Seiten weiter in der Programmbeschreibung:
4. Tipp: Mut zur Lücke
Je nach Zielgruppe und Format können Sie überlegen, ob Sie die Anrede möglicherweise auch ganz weglassen möchten. So wird es bereits in Vorworten und Editorials gehandhabt. Ein einfacher Willkommensgruß oder ein Titel reichen dabei schon. Probieren Sie es aus!
Auch die Chefredakteurin des Rossmann-Kundenmagazins Centaur hat sich als Begrüßung für ein schlichtes „Willkommen in der X-Ausgabe!“ entschieden.
5. Tipp: Zeigen Sie Persönlichkeit und werden Sie kreativ
Wenn es zu Ihnen und Ihrem Unternehmen oder Ihrer Veranstaltung passt, trauen Sie sich ruhig, kreativ und lockerer zu formulieren.
Wer die Broschüre zum Schokoladenfestival Wernigerode zur Hand nimmt, wird vom dortigen Oberbürgermeister zum Beispiel folgendermaßen begrüßt:
Dem Veranstaltungsteam des Schokoladefestivals gelang mit den Naschkatzen eine thematisch passende, freundliche und nebenbei genderneutrale Ansprache.
Aber auch Behörden müssen sich nicht auf ein steifes „Sehr geehrte Damen und Herren“ beschränken – zumindest nicht in jedem Kontext.
Anstatt „Sehr geehrte Damen und Herren, willkommen auf unserer Website“, schreibt die ostfriesische Gemeinde Südbrookmerland zum Beispiel:
Wie Sie sehen: Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, einen Brief, ein Vorwort oder eine Rede gendersensibel einzuleiten. Versuchen Sie, die Menschen persönlich anzusprechen, und werden Sie kreativ.
Welche Ideen zum Gendern von „Sehr geehrte Damen und Herren“ werden Sie ausprobieren?
Schreiben Sie Ihre Gedanken gerne in die Kommentare unten!
Auch Beidnennungen (z. B. Liebe Patientinnen und Patienten) sowie alle Varianten mit einem typografischen Genderzeichen (zu empfehlen ist dabei der Genderstern, also z. B. Liebe Patient*innen) bleiben Ihnen natürlich als Alternativen erhalten.
Wenn Sie wissen möchten, wie Sie über die Anrede hinaus zum Beispiel eine ganze Website elegant gendern können, finden Sie in meinem Infoguide Gendern viele weitere Tipps und kuratierte Inhalte aus der Unternehmenspraxis.
hallo katharina, vielen Dank für die tollen, praxistauglichen und schön dargestellten Vorschläge – perfekt!
Danke für diese Vielfalt an Tipps! Zum Thema Gendersternchen: Ich habe kürzlich gelesen, dass auch der deutsche Verband der Blinden und Sehbehinderten das Sternchen empfiehlt und Alternativen wie Doppelpunkt oder Unterstrich eher ablehnt. Der Stern ist einerseits für die Blinden und Sehbehinderten in Texten einfach besser zu erkennen, und sorgt andererseits beim Vorlesen (egal, ob durch einen Menschen oder durch Software) für weniger Verwirrung, weil er eben nicht gleichzeitig noch als reguläres Satzzeichen verwendet wird. Fand ich interessant und wollte es deshalb hier ergänzen. 🙂